Das Dimesexta-Quadratmetermonster

Wie aus einer unverlangten Fan-Risszeichnung in einem kleinem Nebenarm der größten Science-Fiction-Serie der Welt ein Monster erwuchs

Mittelpunkt der verschiedenartigen Sockel und Kubusblöcke, der abgerundeten Gehäuse und Spiralsäulen war eine Kugel, die auf schmalen und zerbrechlich erscheinenden Füßen auf einem massiven Podium ruhte. Ihr Durchmesser betrug kaum fünf Meter, und sie erinnerte auf den ersten Blick an eine Miniaturausgabe der STARDUST II. Es war keine glatte Kugel, wie Rhodan bald feststellte. Sie besaß Vorsprünge und Ausbuchtungen, Unregelmäßigkeiten in Form ausgefahrener Antennen und Anbauten. Rhodan entdeckte etwas, das ihm bekannt vorkam: Auf der Frontseite einer wuchtigen Metallnase saß eine ovale Riesenlinse, die in allen Farben schillerte und ihn anzublicken schien.

»Ein Fiktiv-Transmitter», murmelte er zögernd. (PERRY RHODAN Silberband Nr. 3 »Der Unsterbliche«, S. 165)

Als der PERRY RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick Ende Juni 2020 die damals noch namenlose neue PERRY RHODAN-Mini-Serie für 2021 angekündigt hat, habe ich ihn angesprochen, ob es nicht gute Sache sei, wenn in so einer Mini-Serie im klassischen Format mit Mittelheftung endlich auch einmal die für PERRY RHODAN typischen Risszeichnungen drin wären. »Im Prinzip ja, aber …«, meinte Klaus und hat den Vorschlag als Anregung weiter gegeben. Leider überwog erst einmal das Aber  – wegen des knappen Budgets und des zu erwartenden Textüberhangs in den jeweiligen Romanen. (Ich hatte dem Rhythmus der Erstauflage folgend, gleich drei RZs vorgeschlagen für die Ausgaben 4, 8 und 12 der geplanten Mini-Serie WEGA).

Während des Jahreswechsels 2020 auf 2021 waren wir alle noch tief im Corona-Wurmloch versunken, so dass ich mit zu viel Zeit und Muße einfach mal loslegen konnte. Der für WEGA verantwortliche Exposé-Autor Michael Marcus Thurner hatte mir den dramaturgisch ja naheliegenden Hinweis gegeben, dass im von ihm geplanten Einstieg in die WEGA-Handlung ein Fiktiv-Transmitter wohl eine Rolle spielen würde. Der Fiktivtransmitter des Galaktischen Rätsels ist ein ikonisches Objekt in der PERRY RHODAN-Serie; es wunderte mich, dass es dieses Motiv noch gar nicht als Risszeichnung gegeben hatte. (Beim näherer Betrachtung nicht so verwunderlich, da die Risszeichnungen in der Serie erst einige Jahre später mit Band 192 auftauchten, während der Fiktivtransmitter inzwischen aus der Handlung verschwunden war.)

Ich fand Gefallen daran, ein kanonisches Uralt-Motiv, das meines Wissens niemals als Risszeichnung erschienen war, anlässlich des 60. Jubiläums der PERRY RHODAN-Serie zu zeichnen, dass vielleicht ganz zufällig auch zur gerade aktuellen Mini-Serie passen würde … Wer weiß, was geschehen würde?

Enter the TCE

Anfang April 2021 kam dann Bewegung in die Sache. Denn der Terranische Club EdeN hatte für eine Sonderedition zum 60. Jubiläum der Serie aufgerufen »Mein schönstes PERRY RHODAN-Erlebnis« mitzuteilen. DAs fand ich inspirierend und hatte sogar ohne großen Aufwand einen passenden PHUTURAMA-Blogbeitrag zurhand, in dem ich schon 2012 mein persönlich schönsten Moment mit PERRY RHODAN beschrieben hatte – meine Teilnahme beim Risszeichner-Treffen zuhause bei PR-Exposé-Autor Willi Voltz in Heusenstamm im Oktober 1982. Im Kontakt mit Co-Herausgeber Andy Schmid kam dann auch die Idee auf, der Sonderedition vielleicht ein uriges, zeitlos gültiges RZ-Motiv zum 60. als A3-Posterbeilage mitbeizufügen … Die Idee fand guten Anklang. Mich begeisterte insbesondere die Möglichkeit, das Poster in Farbe anzulegen und die S/W-Risszeichnung samt Legende und Nummernkreise im Magazin unterzubringen. Nichts würde dann die kolorierte Pure Art des Posters stören.

Aber ich war im Dilemma. Ich hatte der PERRY RHODAN-Redaktion den Fiktivtransmitter für die Mini-Serie angeboten, und wartete auf eine Antwort. Aber auf einmal erschien mir die doppelte Veröffentlichungsmöglichkeit in der Jubiläumsedition des TCE ein wenig verlockender als ein einsames und vielleicht bloß einmaliges RZ-Experiment in einer 12-bändigen PR-Mini-Serie. Aber ich wurde erlöst, denn die PERRY RHODAN-Redaktion machte mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte: Die RZ des Fiktivtransmitters könne im WEGA-Abschlussband erscheinen, auf einer Seite inklusive Textlegende und nur als ›Fanarbeit’ ohne Honorar. Niemand wäre beleidigt gewesen, wenn ich dieses Angebot jetzt mit »Danke, aber nein danke« beschieden hätte, aber in der Tat bedeutete die Einstufung als Fanarbeit auch den Verzicht durch die Redaktiuon auf Exklusivität zugunsten anderer Veröffentlichungsmöglichkeiten.

So erschien meine RZ »Fiktivtransmitter [des Galaktischen Rätsels]« in Band 12 von WEGA – vermutlich als kleinste jemals veröffentlichte Risszeichnung in einem PR-Heftformat, denn ich musste alles – Headline, RZ und Textlegende – auf eine A5-Seite zusammenfalten. Welche Ironie dass diese ultrakompakteste aller Risszeichnungen dann aber auch in ihrer späteren Farbposter-Version zur wohl größten bisher jemals produzierten Risszeichnung eskalierte.

Das Farbposter

Andy Schmid und Joe Kutzner – das Herausgeber-Duo von 60 Jahre PERRY RHODAN – hatten wiederum nichts dagegen, dass die S/W-Variante des Fiktivtransmitters schon in WEGA vorab veröffentlich sein würde. Bis Ende November hatte ich dann die Möglichkeit für die Posterbeilage die Farbversion des Fiktivtransmitters azulegen. Motiviert auch durch die Tatsache, dass der Abdruck im WEGA-Heft nicht nur sehr klein, sondern durch eine unglückliche Aufrasterung auch wenig detailscharf geraten war. Aus einer optimistischen Laune heraus hatte ich mir überlegt, diese Posterdatei wesentlich höher aufgelöst als nötig anzulegen. Vereinbart waren für das Bonus-Poster zum Buch das Format A3 – meine Arbeitsdatei war aber irgendwie auf das zimmertürgroße Format A0 hin expandiert (Zielgröße war schon DIN A1, aber in doppelt so hoher Auflösung wie nötig – für alle Fälle).

Nachdem das wunderbare 536 Seiten starke Buchprojekt zu 60 Jahre PERRY RHODAN ein voller Erfolg wurde und im Moment in 4. Auflage (?) als A5-Softcover verfügbar ist, kamen Andy Schmid und Joe Kutzner auf die Idee einer speziellen Hardcover-Sonder-Edition in einer Auflage vom logischerweise 60 Exemplaren. Um diese wirklich prachtvolle Ausgabe noch ein wenig aufzupeppen, fragten die beiden mich an, ob nicht auch eine A2-Version des Posters diesmal möglich sei. Da musste ich schon ein wenig schmunzeln …

Ein Display für Braunschweig

Für die 4. PERRY RHODAN-Tage der PRFZ in Braunschweig im August 2022 hatte ich schon eine geraume Zeit früher eine Einladung erhalten als Risszeichner dort in irgendeiner Art präsent zu sein, sei es als bloß als Gast, Teilnehmer eines Programmpunkts zu den Risszeichnungen oder mit Beiträgen zum Conbuch oder mit Exponaten in einer kleinen Ausstellung vor Ort.

Da meine Arbeiten trotz vieler analoger Arbeitschritte zwischen Bleistiftskizzen, Vorzeichnungen und Tuschezeichnungen am Ende doch bloß ‘digitaler Endstufe‘ vorliegen, hatte ich bei der Anfrage nach einem Exponat beim Con zunächst auch an eine digitale Präsentation gedacht. Im Kopf hatte ich natürlich die gigantisch hochauflösende Datei des Farbposters des »Fiktivtransmitters« und die Idee, diese Datei für die Zuschauenden interaktiv auf einem großem Display zum Rein- und Rauszoomen zur Verfügung zu stellen. Nach ein wenig Recherche und in Absprache mit Nils Hirseland von der PRFZ-Orga dämmerte uns aber, dass selbst ein ultrateures Riesendisplay zur Ausleihe im Zeitalter ubiquitär verfügbarer Screens und Displays dem einzelnen Werk, der einzelnen Zeichnung nicht gerecht werden würde. Welche Verschwendung, wenn man solche ein teures Gerät nicht auch mit anderen PR-Illustrationen, Videos, Programmankündigen etc. verwenden würde.

Aber während dieser Überlegungen war mir klar geworden: »Size does matter.« Und während ich mich an meinem iPad in den Tiefen der Pixeldetails einer RZ-Datei verlieren kann, habe auch ich als Gestalter die wahren Dimensionen überhaupt nicht vor Augen. Die Posterbeilagen zum Buchprojekt waren für mich selbst überraschend – gerade die nicht mehr ganz kleine A2-Version im Vergleich zur ersten A3-Auflage bedeutete mir, dass da möglicherweise ein lohnenswertes Potential im Umschlag von Quantität zu Qualität lauern könnte. Beim Herumstöbern in den Werbemittelweiten von Flyeralarm wurde ich fündig bei einem mobilen Messedisplay-Rahmen in den Dimensionen 2000 x 3000 mm samt einzuspannenden lichtundurchlässigen Textildrucks. Das Dimesexta-Qudadratmetermonster war geboren, und es zu bändigen brauchte es den Maxus DELIVER 9 von Robben & Wientjes.

Die Robbe

Vielleicht war es der Euphorie im Vorfeld der ersten post-pandemischen PERRY RHODAN-Veranstaltung geschuldet, aber ohne Rücksicht auf die in die Hunderte Euro gehenden Kosten, bestellte ich das System, das dann auch im Flyeralarm-Universum eher eine Rolle als Chaofaktum zugedacht sei könnte. Zehn Tage vor Beginn der 4. PERRY RHODAN-Tage in Braunschweig ging meine Bestellung an Flyeralarm mit Express-Lieferung heraus, denn ich wollte den Aufbau des Systems im Vorfeld proben und mögliche Mängel im Zweifel noch reklamieren können. Das ging schief, denn statt nach zwei Werktagen dauerte es eine komplette Woche bis das Set geliefert war. Neben Produktionsverzögerungen beim Druck, der dann zum Glück einwandfrei war, sorgte der Metallrahmen für Irritationen – erst bei UPS, die ein 3,15 Meter langes Paket meinen Hausnachbarn nicht zumuten wollten, und dann bei mir, denn ich musste nun ein Paket transportieren, dass mit meinem Pkw beim besten Willen gar nicht zu transportieren war. (Eine spätere Kurzstreckentransportlösung hätte ich mich für die 700 Kilometer Strecke Berlin-Braunschweig-Berlin dann doch nicht getraut.)

Statt wie auf der Website und dem dort zur Verfügung gestellten Datenblatts angegeben war der Metallrahmen anders konstruiert; die Längsträger waren nicht wie vorgesehen aus zwei ca. 1,5 Meter Teilstücken zusammenzufügen, sondern eben komplett 3 Meter lange Metallprofile – sehr stabil, im Aufbau sehr zeitsparend, aber nicht mehr so handlich im Transport. Dafür musste jetzt eine »Robbe« her, wie in Berlin die allgegenwärtigen Umzugswagen und Transporter des ehemaligen Kreuzberger Kiezbetriebs noch heißen. Mit einem knapp 6 Meter langen und ausgesprochen unterausgelasteten Maxus DELIVER9-Kleintransporter nahm mein Ride nach Braunschweig ganz ungeahnte Formen an – wie dann später auch die Parkplatzsuche in Braunschweig.

Der Con

Am Freitagnachmittag des Con-Wochenendes war noch jede Gelegenheit ohne Übung, aber mit einer gewissen handwerklichen Messebauer-Chuzpe weite Teile des Veranstaltungssaals für die Montage in Beschlag zu nehmen und mithilfe des spontan zupackenden Con-Moderators und PR-Autors Roman Schleifer auch aufzustellen. Noch während dieser Aufbauphase des Displays ging ein Foto von Janina Zimmer vom PERRY RHODAN-Marketing via Twitter viral. Es war wirklich erstaunlich, die volle Wucht der sechs Quadratmeter Risszeichnung in einer Turnhalle sich entfalten zu sehen. Dem Serendipentäts-Paradigma der aktuellen PR-Handlung folgend – »Finden ohne zu Suchen« – konnte ich frei dort herumlungernde Stühlestapel-Hunde auf Rollen unter die Füße des Displayrahmens platzieren und zwei in gewissser Vorahnung mitgebrachte LED-Baustrahler dort so schön installieren, dass die gigantische Farb-RZ des »Fiktivtransmitters des Galaktischen Rätsels« im Halbdunkel des Vortragssaals immer im besten Licht erschien.

Mein Dank geht deshalb an das großartige gesamte Orga-Team der PERRY RHODAN- FanZentrale, die diese wunderbare Veranstaltung ermöglicht haben und dabei dem Dimesexta-Quadratmetermonster soviel Aus- und Zulauf beschert haben. Denn ich habe mich sehr gefreut, dass dieses bisher einmalige Experiment einer Präsentation einer meiner Arbeiten für PERRY RHODAN so gut angenommen wurde. Auf Instagram, Facebook oder Twitter sah man immer wieder Posts, die das Display als stimmigen Background für Foto-Ops und Selfies nutzten. Und was aus einer Laune bei der Dateierstellung heraus – »Viel hilft viel!« – entstanden war, macht die Besonderheit dieses Großformats aus. Alle Betrachtenden, die sich in die Details der Arbeit in Anlehnung an die klassichen Comics im Stile Moebius’ und des französischen Künstlerkollektivs Association Humanoides, genauer hinein versenkten, konnten keinerlei Pixeltreppenstufen oder Druckartefakte erkennen. Mit jetzt 18.000 x 12.000 Pixel verfügt die Datei selbst auf sechs Quadratmetern immer noch über eine Auflösung von 150 Pixel per Zoll. Für ein exzellentes Druckbild auf hochfeinem Papier mag das vielleicht nicht auszureichen, aber auf dem gröber strukturierten Gewebe des Displaystuchs ist dies gar kein Problem.

Trotz allem organisatorischen und finanziellen Aufwands, ich bin jetzt doch einigermaßen agitiert, solche farbige Großdisplay-Versionen besonders gelungener Risszeichnungsarbeiten bei zukünftigen Gelegenheiten zu präsentieren. Von Flyeralarm habe ich übtrigens die Kosten für den Maxus erstattet bekommen, und im Austausch gegen das fehlkonfigurierte Rahmengestell inzwischen auch das passende und wesentlich einfacher zu transportierende Originalteil erhalten. Mal schauen, was da noch geht.

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