“Don’t bring me down!” ELO’s Disco Mothership Connection

Die Vor-1970-Geborenen wissen, dies ist keine PR-NEO-Space-Jet oder die Google Chrome-Raumjacht, sondern Teil einer opulenten Cover Art-Ausstattung, wie sie im Vinyl-Zeitalter üblich war. Illustration von Shusei Nagaoka

Bei meinen Recherchen in die unergründlichen Tiefen des Retrofuturismus ist mir durch Dark Roasted Blend [1] das oben abgebildete Album-Cover wieder ins Bewusstsein gespült worden. Damals in den 1970er waren insbesondere  Doppelalben oft opulente Meisterwerke, mit denen man sich über Wochen beschäftigen konnte, während man das dazugehörige Album durch intensives Hören gewissermaßen Note für Note mnemotechnisch internalisierte. Ein Meilenstein dieser Rock- und Pop-Dinosaurier-Zeitalters ist Out of the Blue von Jeff Lynn’s Electric Light Orchestra (ELO) aus dem Jahre 1977 mit dem grafisch wie konzeptionell meisterlich ausgearbeiteten Art Work von Shusei Nagaoka.

Shusei Nagaoka war mir kein Begriff. Ich hätte aus dem Stegreif immer gesagt, dass dies eine etwas untypischere Arbeit von Roger Dean [2] (oder vielleicht auch Jim Burns [3]) gewesen sei. Aber Nagaoka ist nicht nur im engeren Sinne Science Fiction-Illustrator, sondern Album Cover Artist mit oft futuristischem Einschlag, wenn es das Sujet hergibt. Insbesondere die von der “Mothership Connection” beeinflussten Alben-Cover von Earth, Wind & Fire entstammen seiner Airbrush-Pistole. [4]

Nagaokas Cover Art für Out of the Blue ist popkulturell multistratifiziert aufgeladen: Das hier von Außen abgebildete Raumschiff ist nämlich eine Variation das schon zuvor eingeführten ELO-Bandlogos, das auf der Formensprache einer Wurlitzer Jukebox 4008 aufsetzt. [5] Diese in den Mid-70ies längst als nostalgisch empfundene Chrom- und Heckflossen-Opulenz der 1950er Jahre kreuzt ELO-Design mit den zeitlos modernistischen Space-Age-Assests aus Kubricks 2001 – A Space Odyssee. Obgleich ebenfalls noch nicht fertiggestellt wie die 2001er-Raumstation, ist der ELO-Diskus ein kompakteres Mutterschiff mit automatisiertes Turntable-Decks als Gefechtsstationen für die kommenden Klangkriege um die orbitale Hoheit über Planet Disco.

Das ELO-Mutterschiff steht in der wiederholten britisch-weißen Wiederaneignung schwarzamerikanischer Souls und seines als Disco bezeichneten globalisiert pop-industriiellen Ablegers. ELO-Chef Jeff Lynn kam von der Band The Move und war schwerstens von den Beatles beeinflusst, deren von ihnen begründeten weltweiten britischen Pop- und Rockmusik-Hegemonie in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre durch die Zangenangriffe der antagonistischen Geschwister Punk, Disko und Reagge an gleich drei neuralgischen Distinktionsflanken angefressen wurde – Rebellion, Sex und eine bessere (Dritte) Welt.

ELOs Disco-Mutterschiff versucht diese multilateralen subkulturellen Angriffe auf das in orbitale Sphären abgehobenene Pop-Establishment des von blassen weißen britischen Bands okkupierten Mainstream-Rhythm’n’Blues-Imperiums durch Rocket Science-artige technische Überwältigungsapparate der Großraum-Disco und des pop-imperialistischen Stadion-Rocks zu begegnen. Vergeblich! Das folgende 1979er-Album Discovery (“Disco? Very!”) ist dann schon ein ein Abgesang: “Don’t bring me down!” (eigentlich der tollste Boogie, der nicht von Status Quo stammt):

[1] Dark Roasted Blend: Retro Future Space Art Update *Sehenswert!*
[2] Roger Dean: Online Art Store
[3] Jim Burns: Offizielle Website
[4] Shusei Nagaoka: Offizielle Website
[5] WP: Electric Light Orchestra – Fun fact: TLA “ELO” nicht “Elektrisches-Licht-Orchester”, sondern eher: “Elektrisches Kammerorchester”

Leave a Reply

Powered by WordPress